Die Situation

Ein Bauingenieur, nennen wir ihn Ludwig, 52 Jahre alt, steht nach 3-monatiger Erkrankung und erfolgreicher stationärer Behandlung seines Burnouts vor dem Beginn der betrieblichen Wiedereingliederung. „Wie wird es wohl werden, wieder in den Job einzusteigen? Wie kann ich meine Projekte wieder schaffen? Gelingt es überhaupt? Muss ich mir etwas anderes suchen, aber was soll das in meinem Alter sein?“ Mit ein paar Kollegen und auch seinem Chef hatte er in den vergangenen Wochen losen Kontakt und viel positiven Zuspruch. Aber wie wird es sein, wieder mit dem ganzen Team im Kontakt zusammenzuarbeiten? „Was soll ich erzählen, wenn sie mich nach meiner Krankheit fragen? Aber vielleicht vermeiden sie es auch?“ …. Diese und ähnliche Fragen und Sorgen zirkulieren durch die Gedankenwelt von Betroffenen.

Ähnliche Themen bewegen auch die Führungskraft von Ludwig. „Was muss ich tun, damit der Kollege nicht wieder krank wird? Wie kann ich die Arbeitslast „richtig“ verteilen? Wie kann ich ihn im Auge behalten?“

Und die Kolleg*innen im Team befassen sich mit Fragen wie z.B. „Dürfen wir ihn fragen, wie es ihm geht, oder sollen wir lieber gar nicht über seine Krankheit sprechen? Vielleicht sagen wir etwas Falsches? Über die Heilung eines gebrochenen Beins kann man reden, aber über was Psychisches?“ ….

Viele Menschen kreisen mit ihren Gedanken um diese erste Phase des Wiedereinstiegs. Alle haben nur das Beste im Sinn. Viele meinen es gut, aber wie wird aus gut gemeint etwas wirklich Hilfreiches?

Was sind die Schritte?

Die erfolgreiche Wiedereingliederung nimmt ihren Anfang einige Zeit vor dem ersten Tag des Kollegen im Unternehmen. Genau diese Themen werden geklärt und der Einstieg in den Prozess erfolgt über die Führung des Teams. Mit dieser Vorbereitung ist damit auch eine wichtige Grundlage zum Erhalt der Balance im Team geschaffen.

  • Manager*innen und Stellvertreter*innen erfahren in einem Workshop was konkret ihre Verantwortung ist und was vor allem auch nicht. Das wichtigste Prinzip ist die Selbstwirksamkeit von Betroffenen zu unterstützen. Das belegt auch eine aktuelle Studie der BAUA – Bundesagentur für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Was bedeutet das genau? Menschen, die überlastet sind, haben nicht mehr das Gefühl, ihre Arbeit oder Probleme hantieren oder kontrollieren zu können. Sie fühlen sich überwältigt und hilflos. So sehr sie sich anstrengen, sie schaffen es nicht mehr die anstehenden Aufgaben zu schaffen. Eines der bedeutsamsten Anliegen jeder Therapie ist es, die Klient*innen darin zu unterstützen, dass sie diese Überforderung und Hilflosigkeit hinter sich lassen. Wenn die Manager*innen nun, wohlmeinend, für den Betroffenen Entscheidungen treffen, ungefragt Projekte oder Aufgaben abnehmen, dann leisten sie der gefühlten Hilflosigkeit erneut Vorschub. Also, es gilt die Verantwortung für die Leistungsfähigkeit und Gesundheit bei den Betroffenen zu belassen. Das bedeutet, dass Führung und Betroffene gemeinsam Aufgaben und Projekte so auswählen, dass der Betroffene aus seiner Sicht etwas sinnvolles und passendes leisten kann. Und – am besten jeden Tag – wahrnehmen kann, was er geschafft hat. Es muss darüber hinaus für ihn und das Team ein Weg sichtbar werden, der für alle eine gute Passung von Aufgaben, Kapazitäten und Leistungsfähigkeit zeigt.
  • Im Rahmen eines Teammeetings klären wir mit allen Kollegen die offenen Fragen. Bei dieser Gelegenheit gebe ich einen kurzen Input über Zahlen und Fakten psychischer Überlastung bzw. Erkrankung. Ziel ist es die Gelegenheit zur Enttabuisierung zu nutzen und gleichzeitig Sicherheit zu geben, dass besondere „Vorsicht“ im Kontakt mit dem Kollegen nicht erforderlich ist. Vielmehr ist hilfreich, die bisherige gute Beziehung und Stimmung im Team weiterzuleben. Darüber hinaus werden Rituale abgestimmt für die Wahrnehmung der erzielten Ergebnisse bei den Teammeetings und welche Techniken der mentalen Stärke für das ganze Team unterstützend wirken.
  • Die Vorbereitung des Betroffenen. Selbstverständlich erfährt er, dass sich Führung und Kolleg*innen auch auf den Wiedereinstieg vorbereiten. Meiner Erfahrung nach, freuen sich die Betroffenen darüber, dass Zeit und Aufmerksamkeit dafür investiert wird. Auch in diesem Gespräch gilt es die offenen Fragen zu beantworten und einen Plan abzustimmen, wie seine konkrete Unterstützung und Begleitung in den kommenden Wochen aussehen soll.
  • Feedback-Schleifen: Üblich ist, sich einmal pro Woche kurz auszutauschen, welche ersten Aufgaben übertragen wurden und wie es allen Beteiligten damit geht. Interessanterweise sind die neuen Rituale, z.B. eine kurze Achtsamkeitssession zu Beginn des Teammeetings und ein Review der erreichten Ergebnisse für alle Teammitglieder eine wirkliche Bereicherung.

Und das Ergebnis?

Die Feedback-Schleifen werden immer länger, werden ausgeweitet auf eine ganz kurze Auffrischung der Rituale für alle. So kann aus einer persönlichen sehr schwierigen Lebenssituation für den Betroffenen und seine Kolleg*innen eine greifbare Chance zu mehr Balance und Resilienz werden. Wie herrlich, wenn damit eine mögliche Frühverrentung.