„Wie stehen denn die anderen Unternehmen da was die Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung anbelangt? Gibt es Branchen-Vergleiche, welche Systeme werden eingesetzt und was macht die Konkurrenz?“ Diese Fragen unserer Kunden erreichen uns immer wieder. Bislang konnten wir nur auf Basis unserer Erfahrungen und „was man so hört“ antworten. Seit der aktuellen Veröffentlichung einer Studie von Beck, D; Lenhardt, U. 2019 [1]wissen wir mehr.

 

Erinnern wir uns: Zur Überraschung aller Experten hatte 2013 das Bundesministerium für Arbeit und Soziales das Arbeitsschutz-Gesetz konkretisiert. Darin wurde die psychische Gesundheit explizit als Bestandteil der Gefährdungsbeurteilung beschrieben. Niemand konnte absehen, welche Auswirkungen diese „kleine Text-Änderung“ in den Unternehmen haben würde. Nach und nach haben sich Unternehmen auf den Weg gemacht, das für ihre Arbeitsplätze und Situation passende System zu implementieren. Führungskräfte sind geschult worden. Experten, wie z.B. Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Betriebsärzte, Sozialberater und Arbeitspsychologen wurden mit den ergänzenden Fachgebieten vertraut gemacht. Vor allem die Fachkräfte in Aufsichtsorganen erhielten Qualifizierungen, wie die „Psyche“ in ein Kontrollsystem passen könnte.

 

Und: Was schätzen Sie, wie viele Unternehmen haben bereits eine systematische Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung im Einsatz?

 

Die genannte Studie gibt Auskunft. Basis sind die Daten von 6.500 Unternehmen in Deutschland. Befragt wurden Unternehmen aller Größen in Kategorien von 1-9 und 10-49 und 50 – 249 sowie größer als 250 Beschäftigten.

 

Mit Fragebogen und Telefoninterview [2]wurden Verantwortliche zu Wort gebeten, davon 46% Unternehmer, Geschäftsführer; 23% Arbeitssicherheitsingenieure; 31% andere Funktionen mit Arbeitsschutz-Aufgaben. 

 

 

Die Häufigkeit der Umsetzung lag bei 21% der befragten Unternehmen, nur in 5% der Unternehmen erfolgte dies vollständig mit Dokumentation, abgestimmten Maßnahmen sowie Kontrolle der Wirksamkeit.

 

Mit Hilfe von Regressionsanalysen wurde Einflussgrößen auf die Umsetzung in Unternehmen berechnet. In der Rangreihe der statistisch berechneten Bedeutung sind dies:

 

  • Größe des Unternehmens: je größer desto häufiger, dennoch nur bei 3 von 10 Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten
  • Verfügbarkeit von Arbeitsschutz-Experten
  • Verfügbarkeit von Arbeitsmediziner
  • bereits erfolgte Kontrolle durch Aufsichtsorgan, Gewerbeaufsicht

 

Weitere Merkmale mit Einfluss auf die Umsetzung im Betrieb:

 

  • Wissensstand im Unternehmen zu Arbeitsschutz-Auflagen
  • Erfolgtes Training von Führungskräften zu Arbeitsschutz
  • Etablierte Mitarbeitervertretung
  • Positive oder zufriedenstellende ökonomische Situation des Unternehmens
  • Positive Bewertung des Arbeitsschutzes im Hinblick auf Kostenreduktion 
  • Nähe zu Produktionsbranche (im Vergleich zur Dienstleistungsbranche)

 

Keine signifikanten Einflüsse ergaben sich, was die Zuordnung zum öffentlichen bzw. privatwirtschaftlichen Sektor anbelangt oder die Funktion des Interviewpartners.

 

Ergänzend dazu zeigen die Daten, dass der positive Nutzen einer Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung bei den Unternehmen, die diese integriert haben, bei 82% liegt. 

 

Was leitet sich daraus ab? Die Datenerhebung erfolgte bereits 2015. Bezogen auf die Einflussfaktoren, wird sich wahrscheinlich nicht viel verändert haben. Produktionsbetriebe haben eine lange Tradition von Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit, da scheint es leichter zu fallen, die psychischen Beanspruchungen zu integrieren. Die Hoffnung ist da, dass der Prozentsatz der durchgeführten Gefährdungsbeurteilungen psychischer Belastung inzwischen deutlich höher ist! Und der Nutzen, von denen die sie umgesetzt haben, nach wie vor so hoch bewertet wird.

 


 

[1]Beck, D., Lenhardt U., 2019 Consideration of psychosocial factors in workplace risk assessments: findings from a company survey in Germany.  Int. Archives of Occupational and Environmental Health 2019 92.435-451 

 

[2]Basis ist eine Befragung von TNS Infratest Social Research von 2015. Sleik K., Baier E., Künzel S. et al. Evaluation of the Joint German Occupational and Safety Strategy GDA.