Stellen Sie sich bitte einen Ironman-Triathleten vor. Er schwimmt fast 4 Kilometer, dann radelt er mal eben 180 Kilometer und läuft zum krönenden Abschluss einen Marathon von 42 Kilometern. Und stellen Sie sich bitte vor, er würde dies mit seiner Lauf-, Schwimm- und Radfahrtechnik tun, die er sich als Kind angewöhnt hat. Vorbereitende Technik-Trainings mit Ruhephasen hat es nicht gegeben, die Strecken wurden einfach immer länger. In welchem Zustand, glauben Sie, kommt der Sportler, wenn überhaupt, ins Ziel?

 

Gewohnheiten, z.B. Meditation, im beruflichen Alltag

Viele Menschen fühlen sich heute am Arbeitsplatz wie Langstreckenläufer im Hamsterrad, das sich immer schneller dreht. Und sicher haben sie viele Rituale entwickelt, die dazu beitragen, dass sie nicht aus dem Hamsterrad herausfliegen. Aber reicht das schon aus? In einigen Unternehmen gewinnt das Thema „bewusste Pausen, Achtsamkeit“ an Bedeutung. Trainingsprogramme werden gestartet, das Interesse wächst. Aber wie wird aus einem im Training ausprobierten Verhalten, z.B. einer Kurzmeditation, eine neue Gewohnheit?

 

Die Wahrnehmung von Unterschieden ist der Schlüssel zur Veränderung

 

Wer liebgewonnene Gewohnheiten im Alltag verändern will, braucht außerdem Neugier, Wissen, ein Ziel und Maßnahmen bei Rückfällen in alte Muster.

 

Wir unterscheiden beim Lernen von neuem Verhalten vier Stufen

 

  • Unbewusste Inkompetenz. Fahrschüler wissen zunächst gar nicht, was sie beim Kuppeln und Schalten genau motorisch leisten müssen, um das Auto in Bewegung zu bringen.
  • Bewusste Inkompetenz. Nachdem das Auto zum dritten Mal „abgewürgt“ wurde, ist klar, dass Kuppeln und Schalten exakt abgestimmt werden müssen.
  • Bewusste Kompetenz. Nach einigem Üben gelingt es immer häufiger, ohne Ruckeln wieder anzufahren
  • Unbewusste Kompetenz. Es ist ein automatisierter Prozess – Wahrnehmung und Motorik sind eingeschwungen. Die Aufmerksamkeit kann sich auf anderes richten.

 

Wenn wir dieses Modell auf die psychische Gesundheit übertragen, finden wir viel unbewusste Kompetenz. Die meisten Menschen verfügen über einen gut gefüllten Werkzeugkasten für den Umgang mit den täglichen Belastungen, sonst wären weit mehr als 25% der Erwerbstätigen von psychischen Überbelastungen betroffen. 

 

Gleichzeitig finden wir in den vielen Gesprächen – sei es in Seminaren, Beratungen oder Coachings – einige weiße Flecken auf der Landkarte. Viele Menschen sind unbewusst inkompetent, selbst wenn es um einfache Zusammenhänge im Stressmanagement geht, wie z.B. der Einfluss der Gedanken auf die Leistungsfähigkeit unseres Systems.

 

Wie kann ich z.B. „Kurzmeditation“ in den Alltag integrieren?

 

Vielleicht haben sie im Achtsamkeitstraining gespürt, wie angenehm der Fokus auf das „hier und jetzt“ ist. Aber so eine Methode in den Alltag zu integrieren, dazu „fehlt die Zeit“, so höre ich häufig.

 

  • Das Angebot von Trainings kann neue Türen öffnen. Ein erstes Erkennen, wie wirksam Kurzmeditation sein kann und das Aufräumen von Vorurteilen – „Esoterik“ – schaffen den Einstieg.
  • Über die persönliche Erfahrung von Unterschieden – wie geht es mir mit bzw. ohne Kurzmeditation im Alltag, wie leistungsfähig bin ich über den Tag, wie schalte ich abends ab? – entstehen Ziele, die die Motivation steuern.
  • Mit einer kurzen täglichen Übungseinheit, die mit einem bereits vorhandenen Ritual verknüpft wird, entwickelt sich eine erste Routine. Beispielsweise direkt vor dem Frühstück 3 Minuten Kurzmeditation einzuschieben. Über die wahrgenommene Wirkung verstärkt sich Motivation mehr Zeit zu investieren oder häufigere Rituale in den Alltag zu integrieren. 
  • Der Tagesablauf hat sich verändert, dies wird als normal erlebt. Gegebenenfalls hat die neue Gewohnheit, gerade im Beispiel Kurzmeditation, auch zu neuen Ritualen in der Familie oder im Arbeitsteam geführt.

 

Entscheidend ist, zu Beginn gerade so viel Zeit einzuplanen, dass erste Effekte spürbar sind. Und es gilt Vorhandenes mit Neuem möglichst einfach zu verknüpfen! Damit aus „guten Vorsätzen“ wirkliche Veränderung entsteht. Viel Erfolg!